Presseaussendungen
Ärztekammer warnt vor Kernkraft als klimaneutrale Energiealternative
Radioaktiver Müll muss irgendwo gelagert werden – „Tschernobyl und Fukushima können sich jederzeit wiederholen“
Bezugnehmend auf das Tschernobyl-Reaktorunglück, das sich dieser Tage zum 35. Mal jährt, warnt die Ärztekammer davor, Kernkraft als klimaneutrale Energiegewinnungsalternative zu propagieren. So ist derzeit beispielsweise geplant, eine Million Tonnen verstrahltes und kontaminiertes Wasser aus dem zerstörten Atomkraftwerk Fukushima ins Meer abzulassen – mit unabsehbaren Folgen für Tier und Mensch, „und das weltweit“, wie der Referent für Umweltmedizin der Ärztekammer für Wien, Piero Lercher, betont.
Am 11. März 2011 löste ein Seebeben und ein anschließender Tsunami eine Kernschmelze in den Reaktoren in Fukushima aus. Selbst die japanische Atomaufsichtsbehörde ordnete die Ereignisse auf der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse mit der Höchststufe 7 („katastrophaler Unfall“) ein. Bei der Havarie trat unter anderem auch radioaktiv verseuchtes Kühlwasser aus, das sich in der Folge mit dem Grundwasser vermischte, das abgepumpt werden musste. Der Betreiber Tokyo Electric Power Company - TEPCO verwendete es, um drei Reaktoren zu kühlen, die weiterhin heiß sind. Mehr als 1,2 Millionen Tonnen Wasser werden aktuell in 1020 Tanks gelagert.
Die japanische Regierung und die Betreiber wollen nun das verseuchte Wasser auf dem Gelände behandeln lassen, um die Wirksamkeit von radioaktiven Substanzen auf ein zulässiges Maß zu verringern. „Wenn man die Halbwertszeit betrachtet, die je nach Isotop bis zu Zig- oder sogar Hunderttausende Jahre betragen kann, muss man sich fragen, welche ‚Behandlung‘ hier das Wasser erfahren soll, bevor es ins Meer eingeleitet wird“, so Lercher.
Da Meere keine Grenzen hätten, gelange die „verstrahlte Brühe“ auch in internationale Gewässer, „und deshalb können und müssen alle Staaten der Welt hier mitreden, auch wenn sie, wie Österreich, keinen Meereszugang haben“. Schließlich bildeten Meerestiere den Hauptbestandteil einer ärztlich propagierten, gesunden Ernährung, und so kämen kontaminierte Nahrungsmittel auch auf den Speiseteller der Österreicherinnen und Österreicher, warnt Lercher.
Am 25. März 2011 wurde zudem die Kühlung aller Reaktoren und Abklingbecken in Fukushima schrittweise von Meer- auf Süßwasser umgestellt, vor allem um weitere Schäden durch Salzablagerungen zu vermeiden. Auch dieser Schritt beleuchtet laut Lercher den „nuklearen Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass von den weltweiten Wasseranteilen das Meerwasser 99,7 Prozent, der Süßwasseranteil und damit unser Trinkwasser hingegen lediglich 0,3 Prozent beträgt“.
Lercher kritisiert, dass kernkraftfreundliche Wissenschafter nach wie vor die Langzeitfolgen, insbesondere das erhöhte Krebsrisiko, hinunterspielten. Dabei käme ihnen zugute, dass Krebs oftmals ein multifaktorieller, pathologischer Vorgang sei, der nicht immer auf nur eine Ursache reduziert werden könne: „Dass radioaktive Strahlung zu genetischen Mutationen führt, ist jedoch unbestritten und anerkannt.“
Ebenso absurd ist für Lercher das Argument, dass Kernkraft klimaneutral oder sogar klimafreundlich sei. Hier werde die Tatsache außer Acht gelassen, dass letztendlich radioaktiver Müll entsteht, der irgendwo auch gelagert werden muss. Damit aber sei das Risiko einer weiteren nuklearen Katastrophe nicht von der Hand zu weisen, warnt Lercher. (hpp)