Presseaussendungen

Spitalsärzte 2: Finanzierung als große Hürde für Gesundheit
Ressourcenknappheit bedeutet Gefahr für die Versorgung – Weismüller: „Politik darf nicht auf Kosten der Patienten einsparen"
Der Gesundheitsbereich als Wirtschaftsfaktor war Thema der zweiten Tageshälfte beim „Wiener SpitalsärztInnenkongresses 2019" im Wiener Museumsquartier. Gesundheitsökonomen waren sich dabei einig, dass die Versorgung aufgrund der wachsenden Anzahl der Patienten in Zukunft mehr Investitionen benötigen werde.
Für Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres muss der Mensch „der Mittelpunkt des Gesundheitsmanagements" bleiben. Dennoch ist für Szekeres die Medizin ein gerne genannter Punkt der Politik, wenn es um das Thema Einsparungen gehe. „Die Ärzteschaft sowie die Pflege widmen sich zur Gänze ihrer Berufung und tun trotz fehlender Ressourcen alles in ihrer Macht Stehende, um Missstände auszugleichen", so Szekeres. Das Wohl des medizinischen Personals - und in weiterer Folge auch das der Patienten - dürfe daher durch die stetigen Rationalisierungstendenzen „keine Einbußen" erleiden.
„Wien hat sich stets als Stadt der Spitzenmedizin ausgezeichnet", ergänzt dazu Kongress-Gastgeber Wolfgang Weismüller von der Wiener Ärztekammer. „Diesen Ruf dürfen wir nicht aufgrund von Einsparungen riskieren – allein schon wegen unserer Patienten, die stets darauf vertraut haben und auch in Zukunft vertrauen werden", so Weismüller.
Laut der Wiener Gesundheitsökonomin Maria Hofmarcher-Holzhacker lag in den letzten Jahren der Schwerpunkt bei Reformen im Gesundheitssektor auf der Verbesserung der Produktivität in der Akutversorgung, insbesondere in den Spitälern. „Produktivitätsverbesserungen in Krankenhäusern werden häufig durch den Abbau von Kapazitäten erreicht, dies wiederum kann zu einem Mangel an Arbeitskräften auch in anderen Pflegeeinrichtungen führen, was den Zustrom von sogenannten ‚Wanderarbeitnehmern‘ stimuliert", erklärt Hofmarcher-Holzhacker.
Schließlich sei eine patientenorientierte Langzeitpflege in vielen OECD-Ländern nicht ausreichend koordiniert. „Vor allem an den Schnittstellen von Gesundheit und Pflege erschweren regulatorische Hindernisse das koordinierte Betreuen", so Hofmarcher-Holzhacker.
Eine bessere Abstimmung empfahl auch die deutsche Gesundheitswissenschafterin Christine von Reibnitz für den Palliativbereich, denn oftmals sei die Überleitung von Patienten in einer palliativen Versorgungssituation „komplex" und erfordere eine „abgestimmte koordinierte Zusammenarbeit zwischen Krankenhaus und Nachversorgern". Für von Reibnitz müssten jedenfalls die Schnittstellen in der Palliativversorgung „patientenorientiert" gestaltet werden.
Wandel durch Phänomen der Spezialisierung
„Einsparung und IT sind die derzeit alles beeinflussenden Größen in der Diskussion um die Gesundheitsbranche. Machen wir uns aber die Mühe, die Kosten- und Digitalisierungsscheuklappen abzulegen, dann werden die wirklichen Herausforderungen sichtbar", erläuterte der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Christoph Zulehner.
„Mit dem Wandel zur Informationsgesellschaft wird auch im Gesundheitswesen das Phänomen der Spezialisierung wirksam, und faktisch alle medizinischen Fachbereiche erfahren ihre unaufhaltsamen Untergliederungen", so Zulehner weiter. Ein Paradebeispiel ist für ihn die ursprünglich gemeinsame Disziplin „Neurologie und Psychiatrie", die sich später dann aufspaltete. Die Neurologie erlebte in der Folge die Aufgliederung in eine neuromuskuläre und neurovaskuläre Disziplin. Die Psychiatrie erfuhr wiederum Auffächerungen wie Akutpsychiatrie, Suchtmedizin, Gerontopsychiatrie, Forensische Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, und noch ist für Zulehner „kein Ende in Sicht".
Als „Brandbeschleuniger" dieser Entwicklung fungiert für Zulehner die kontinuierliche Reduktion der persönlichen Arbeitsressourcen: „Nicht nur, dass gesetzliche Bestimmungen für Höchstgrenzen bei den Wochenstunden gesorgt haben. Die Tatsache, dass wir zu den saturierten Weltmeistern des Lebensstandards gehören, sorgt darüber hinaus dafür, dass immer mehr Menschen mit 30, 20 oder weniger Wochenstunden das Auslagen finden."
Ärztekammer-Vizepräsident Wolfgang Weismüller sieht das ähnlich: „Auch in Wien hat sich die Medizin selbstverständlich weiterentwickelt. Die Stadt Wien muss hier den Tatsachen ins Auge sehen und sich als Arbeitgeber gegenüber seinem Personal in puncto Arbeitszeit und Entlohnung entsprechend modern verhalten." Das bedeute, dass mehr Personal eingestellt und attraktivere Arbeitsbedingungen geschaffen werden müssten. So viel Finanzierung schulde man schlussendlich auch den Patienten, so Weismüller abschließend. (ast)
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