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Ärztekammer Wien und ÖGK bringen nicht besetzbare Kassenstellen mit innovativem „Pop-Up-Konzept“ in die Versorgung

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Ärztekammer Wien und ÖGK bringen nicht besetzbare Kassenstellen mit innovativem „Pop-Up-Konzept“ in die Versorgung

In Wien und Österreich gibt es Kassenstellen, die trotz mehrmaliger Ausschreibung nicht vergeben werden können, da sich keine Interessenten für diese finden. Diese Stellen fehlen dann in der Versorgung der Bevölkerung. Dies führt dazu, dass die Patientinnen und Patienten in die umliegenden Ordinationen ausweichen müssen und es auch dort zu einer Belastung der Ordinationsteams und längeren Wartezeiten kommt. Einhergehend mit dem über die Jahre stark gestiegenen Patientenaufkommen in allen Ordinationen sind auch Aufnahmestopps die Folge. Um diesem Umstand entgegenzuwirken, starten die Ärztekammer für Wien und die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) ein innovatives „Pop-Up-Konzept“, ein Ärztebereitstellungsmodell zur temporären Besetzung unbesetzter Kassenplanstellen.

Dieses in Österreich einzigartige Pilotprojekt soll nicht besetzbare Kassenstellen, von Allgemeinmedizin bis hin zum fachärztlichen Bereich, zukünftig rasch und temporär besetzen, bis diese tatsächlich übergeben werden können: „Mit diesem neuartigen Konzept werden wir längere Zeit unbesetzte Kassenstellen endlich versorgungswirksam machen. Ziel ist, damit die wohnortnahe und niederschwellige Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung zu erhalten und langfristig Ärztinnen und Ärzte zu gewinnen, die diese Stellen dauerhaft übernehmen. Ich bedanke mich bei der Österreichischen Gesundheitskasse, dass wir dieses innovative Modell gemeinsam umsetzen konnten, welches ein Vorzeigebeispiel für ganz Österreich werden kann“, freut sich Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen und Wiener Ärztekammer.

ÖGK-Obmann Andreas Huss: „Für eine gute und flächendeckende Gesundheitsversorgung bedarf es vieler zusammenpassender Puzzlesteine. Dort wo sich Lücken in der Versorgung auftun, sind innovative Modelle gefragt, die diese Lücken kurzfristig und temporär füllen können. Mit diesem Pilotmodell versuchen wir gemeinsam derzeit nicht besetzte Arztstellen wieder in die Versorgung zu bringen. Fakt ist aber auch, dass wir mit den bestehenden Arztstellen in den nächsten Jahren nicht mehr das Auslangen finden. Daher werden wir in den kommenden Gesprächen zu den regionalen Strukturplänen auch zusätzliche Arztstellen, vorrangig in Primärversorgungszentren und ähnlichen Zusammenarbeitsformen, anregen. Wie bei den Kinder PVEs sollen in Zukunft etwa auch in Frauengesundheitszentren, Ärztinnen und Ärzte und andere Gesundheitsberufe wie Hebammen, Ernährungsberaterinnen und -berater, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und dergleichen für die Gesundheit von Frauen zusammenarbeiten. Aber auch die ÖGK selbst wird mit eigenen Einrichtungen erfolgreiche Versorgungsmodelle, wie etwa die Gesundheitszentren in Wien und Graz, weiter ausbauen. So wurde für die Seestadt und für Salzburg bereits ein Beschluss für weitere derartigen ÖGK-Einrichtungen gefasst.“

 „Die Wartezeiten in den Wiener Kassenordinationen sind seit 2012 massiv gestiegen. Ein Mitgrund dafür ist, dass einige Kassenstellen, auch trotz mehrmaliger Ausschreibung und größten Bemühungen, nicht besetzt werden können. Mit dem Pilotprojekt möchten wir dieses Problem angehen und beschreiten völlig neue Wege, um die wohnortnahe kassenärztliche Versorgung zu erhalten. Um allen Menschen die bestmögliche medizinische Versorgung zu garantieren, müssen alle Stakeholder im Gesundheitssystem an einem Strang ziehen. Es freut mich daher, dass die Gesundheitskasse die Problematik sieht und mit an Bord ist“, sagt Naghme Kamaleyan-Schmied, erste Vizepräsidentin und Kurienobfrau der niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer für Wien.

Wie funktioniert das „Pop-Up-Konzept“ und wann startet das Projekt?

Für das Konzept kommen sowohl allgemeinmedizinische als auch fachärztliche Kassenstellen wie beispielsweise Gynäkologie oder Kinder- und Jugendheilkunde in Frage, die trotz mehrmaliger Ausschreibung nicht vergeben werden konnten. Das Projekt ist zeitlich klar begrenzt und hat zum Ziel, die Ordination sowie die Infrastruktur bereitzustellen, damit interessierte Ärztinnen und Ärzten dort rasch im Kassenbereich tätig werden können. Die Ärztinnen und Ärzte werden über den Ärztefunkdienst der Ärztekammer für Wien, der die Hauptstadt bereits seit Jahren verlässlich zu den Tagesrandzeiten versorgt, bereitgestellt.  Bei diesem neuen Modell versorgen Ärztinnen und Ärzte Patientinnen und Patienten zu vorgegebenen Ordinationszeiten.

Das Projekt der Ärztekammer für Wien und der Österreichischen Gesundheitskasse ist gemeinnützig organisiert: Die Ärztinnen und Ärzte werden nach einem vorgegebenen Stundensatz bezahlt. Diese sowie laufende Kosten, etwa für Miete, werden in der Zeit der temporären Versorgung von der ÖGK getragen. Ausschlaggebend für die Entwicklung des Projekts sind Versorgungslücken und der einhergehende Leidensdruck der Patientinnen und Patienten nach mehrmaliger erfolgloser Ausschreibung dieser Stellen, der auch zur Belastung der umliegenden Ordinationen geführt hat.

Was können sich die Patientinnen und Patienten erwarten?

Das neue Konzept wird die vorhandenen Lücken in der Versorgung der Bevölkerung schließen. Denn in jenen Regionen, wo es mangelnde Versorgung gab, entstehen nun kassenärztliche Gesundheitseinrichtungen. Ziel ist, die Wartezeiten im Kassensystem zu verkürzen und die wohnortnahe Gesundheitsversorgung sicherzustellen. In den Ordinationen sollen Leistungen wie in herkömmlichen Kassenordinationen angeboten werden. Es handelt sich um eine reguläre Kassenordination mit entsprechenden Wochenstunden, die von Krankmeldungen über Dokumentation bis hin zur Versorgung von chronischen Patientinnen und Patienten, alle üblichen kassenärztlichen Tätigkeiten übernimmt.

Zum Start des Projekts werden zwei allgemeinmedizinische Kassenordinationen im 15. Bezirk und im 23. Bezirk, die trotz mehrmaliger Ausschreibung nicht besetzt werden konnten, ins Auge gefasst. Aktuell sind die Details dazu in Abklärung, um den Planungsprozess zu starten. Da es sich bei den Ausschreibungen von Kassenstellen um einen laufenden Prozess handelt, werden zukünftig immer wieder neue Stellen für das Pilotprojekt in Frage kommen. Selbstverständlich sind wir vorrangig bestrebt, offene Kassenstellen auf regulärem Weg zu besetzen. Sollte dies nicht möglich sein, stellt das „Pop-Up-Konzept“ sicher, dass es zu keinen Versorgungslücken kommt.

Gemeinsames Ziel: Langfristige Besetzung offener Stellen

Das „Pop-Up-Konzept“ ist als temporäres Projekt gedacht und soll den Grundstein für Ordinationsgründungen legen. Mit der Möglichkeit in einer dieser temporären Ordinationen zu arbeiten, möchten Ärztekammer und Gesundheitskasse das Interesse für die Ordinationsarbeit im Kassensystem wecken. Ziel ist es, die Kassenstellen, die am Pilotprojekt teilnehmen, nach spätestens drei Jahren wieder auszuschreiben und im besten Fall endgültig an einen oder eine der bereits im Projekt tätigen Ärztinnen oder Ärzte zu vergeben.

Forderung nach massiver Stärkung und Attraktivierung des Kassensystems

Darüber hinaus braucht es enorme Verbesserungen im solidarischen Gesundheitssystem. Die Ärztekammer für Wien fordert eine massive Stärkung des Kassensystems, das längst nicht mehr mit dem Wachstum und der Alterung der Bevölkerung schritthalten kann. Auch die Schaffung von Anreizen, um mehr Ärztinnen und Ärzte für den Kassenbereich zu gewinnen, ist ein entscheidender Faktor.

Neben der Verbesserung der Arbeitsbedingungen, einem neuen Honorierungssystem und einem modernen und einheitlichen Leistungskatalog, wird man durch eine Flexibilisierung bei Teilzeitkassenverträgen und familienfreundlichen Arbeitszeiten wieder Ärztinnen und Ärzte für das solidarische Gesundheitssystem gewinnen können. Damit vergebene Stellen rascher versorgungswirksam werden, fordert die Ärztekammer für Wien Unterstützung beim Gründungsprozess, etwa bei der Immobilien- und Personalsuche und die Lösung der Problematik der „unechten Umsatzsteuerbefreiung“.

Fotos der Pressekonferenz finden Sie hier.

Kontakt für Presse-Rückfragen:

Ärztekammer für Wien, Adrian Hinterreither
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