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Hass im Netz: Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien bietet Ombudsstelle für Betroffene

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Hass im Netz: Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien bietet Ombudsstelle für Betroffene

Präsentation der Studienergebnisse zu Anfeindungen in den Sozialen Medien gegen Wiener Ärztinnen und Ärzte

In Österreich und ganz Europa kommt es immer häufiger zu physischer und psychischer Gewalt in Ordinationen und Krankenanstalten. Die Gewalt richtet sich gegen Ärztinnen und Ärzte sowie Pflege- und Ordinationspersonal und entlädt sich oft in den Sozialen Medien oder in Form von unsachlicher, geschäftsschädigender Kritik auf einschlägigen Bewertungsplattformen oder Suchmaschinen. Negativer Höhepunkt waren die massiven Drohungen und Anfeindungen gegen die oberösterreichische Ärztin Lisa-Maria Kellermayr. Laut einer Erhebung des Meinungsforschers Peter Hajek im Auftrag der Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien waren bereits viele Medizinerinnen und Mediziner von Hass im Netz betroffen. Mit einer neu geschaffenen Ombudsstelle „Hass im Netz“ bietet die Kammer für Ärztinnen und Ärzte Medizinerinnen und Medizinern in Wien ab sofort kostenlose Hilfe an.

Die Ergebnisse der Studie von Peter Hajek im Detail:

  • Mehr als die Hälfte (55 Prozent) der 1.102 befragten Ärztinnen und Ärzte (Spitäler und Niederlassung) waren in den vergangenen zwei Jahren verbaler Gewalt und ein Viertel (24 Prozent) psychischer Gewalt ausgesetzt. 14 Prozent gaben an, dass diese Gewalterfahrungen auch im Internet bzw. in den Sozialen Medien stattfanden.
  • Häufig sahen sich niedergelassene Ärztinnen und Ärzte dabei mit ungerechtfertigten Rezensionen und negativen Bewertungen im Internet (z.B. auf Bewertungsplattformen oder Suchmaschinen) konfrontiert. 58 Prozent der Befragten gaben an, diese Erfahrung in den vergangenen zwei Jahren gemacht zu haben, 12 Prozent davon „häufig“ und 16 Prozent „immer wieder“.
  • Ärztinnen und Ärzte in den Ordinationen sind häufig mit untergriffigen Rezensionen und Bewertungen im Netz konfrontiert. Eine Mehrheit von 52 Prozent gab an, damit in den vergangenen Jahren Erfahrungen gemacht zu haben. Viele davon sind in Kassenordinationen tätig.
  • Untergriffige Kommentare auf Sozialen Medien (z.B. Facebook, Instagram etc.) haben 30 Prozent der befragten niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in den vergangen zwei Jahren erhalten.
  • Rund ein Fünftel der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte war in den letzten zwei Jahren mit persönlichen Drohungen per E-Mail konfrontiert, 13 Prozent in den Sozialen Medien.
  • 9 Prozent der Befragten (Spitäler und Niederlassung) haben aufgrund der Vorfälle über digitale Kanäle in den vergangen zwei Jahren zumindest einmal eine Klage eingereicht.
  • Für 28 Prozent der Betroffenen (Spitäler und Niederlassung) waren die Vorfälle in den digitalen Medien ruf- oder geschäftsschädigend.

Neue Ombudsstelle für betroffene Ärztinnen und Ärzte bietet Unterstützung

Um Ärztinnen und Ärzte bestmöglich zu unterstützen, hat die Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien eine Ombudsstelle für „Hass im Netz“ ins Leben gerufen, deren Leistungen von Wiener Ärztinnen und Ärzten ab sofort kostenlos in Anspruch genommen werden können. Angeboten werden folgende Unterstützungsleistungen:

  • Die Ombudsstelle dient als Erstanlaufstelle und bietet rechtliche Beratung bei Angriffen im digitalen Raum. Das Konzept wurde gemeinsam mit Maria Windhager, Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Medien- und Persönlichkeitsschutzrecht, erarbeitet.
  • Rechtsexpertinnen und -experten bieten Betroffenen eine Ersteinschätzung zu möglichen juristischen Schritten. Das Setzen dieser Schritte, wie zum Beispiel Klagen, liegt dann direkt bei den betroffenen Ärztinnen und Ärzten.
  • Die Kammer stellt Vorlagen wie etwa Musteranträge für Löschungsbegehren zur Verfügung. Um mehr Druck zu erzeugen, unterstützt sie Ärztinnen und Ärzte auch direkt bei diesen, etwa wenn mehrere Löschungsversuche gescheitert sind.
  • Auf der Website der Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien (www.aekwien.at/hass-im-netz) stehen ausführliche Informationen zu Verfügung. Häufig gestellte Fragen werden beantwortet und Hilfestellungen angeboten, etwa wie man bestmöglich Beweise via Screenshot sichert. Dabei wird auf alle gängigen Plattformen und deren Besonderheiten im Detail eingegangen.

Angriffe im digitalen Raum bedeuten für Ärztinnen und Ärzte auch eine massive psychische Belastung. Um Abhilfe zu schaffen, bietet die Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien mit der Beratungsstelle „Physicians Help Physicians“ rasche unbürokratische Hilfe. Die Beratung kann kostenfrei und niederschwellig in Anspruch genommen werden. Erfahrene Ärztinnen und Ärzte mit psychotherapeutischer Ausbildung und Erfahrung aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen, sowohl aus dem niedergelassenen als auch dem angestellten Bereich, stehen dafür zur Verfügung. Der Beratungsprozess kann persönlich, telefonisch oder online erfolgen. Selbstverständlich wird jedes Anliegen vertraulich behandelt und unterliegt der Schweigepflicht.

Präsident Johannes Steinhart: „Wir erleben leider immer häufiger, dass Ärztinnen und Ärzte Anfeindungen, Verunglimpfungen und Drohungen im Internet ausgesetzt sind. Die Hemmschwelle für Beschimpfungen, herabwürdigende und geschäftsschädigende Kommentare und sogar die Androhung von Gewalt wird im digitalen Raum immer niedriger. Solche digitalen Aggressionen sind nicht nur ein Angriff auf die psychische Unversehrtheit von Ärztinnen und Ärzten, sie sind ein Angriff auf die gesamte Gesundheitsversorgung. Wenn Ärztinnen und Ärzte aus Angst vor digitalen oder sogar physischen Übergriffen haben müssen, oder sich womöglich deswegen ganz aus ihrem Beruf zurückziehen, dann schadet das auch der Patientenversorgung. Dazu kommt, dass das Wiener Gesundheitssystem an seiner Belastungsgrenze operiert, was die Unzufriedenheit in der Bevölkerung weiter schürt. Auch das kann zu persönlichen Anfeindungen, unsachlicher Kritik und böswilligen Bewertungen auf einschlägigen Plattformen beitragen. Die Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien erwarten von der Politik mehr Handhabe gegen ungerechtfertigte Kritik, geschäftsschädigendes Verhalten und Drohungen im Internet. Zusätzlich fordern wir auch endlich eine angemessene Finanzierung des Gesundheitswesens, wodurch zusätzlich Druck aus dem System genommen und Konfliktpotenzial verringert wird.“

Vizepräsidentin Naghme Kamaleyan-Schmied: „Ich kenne leider aus eigener Erfahrung die Probleme durch Hass im Netz. Sexistische Kommentare, unwahre Behauptungen und geschäftsschädigende Online-Bewertungen fern von jedem Bezug zur Realität sind Probleme, mit denen mehr und mehr Ärztinnen und Ärzte konfrontiert sind. Auch aus meinem Umfeld höre ich regelmäßig von Kolleginnen und Kollegen, dass sie mit Anfeindungen im Internet kämpfen. Umso wichtiger ist es, dass der Ärzteschaft rasche und kompetente Unterstützung im Umgang mit diesen Angriffen geboten wird. Die Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien hat eine Ombudsstelle eingerichtet, die juristischen Möglichkeiten aufzeigt und bei der Entscheidung der angemessenen Vorgangsweise unterstützt. Von der Beweissicherung über Muster für Löschbegehren bis hin zu möglichen rechtlichen Schritten deckt die Beratung alle relevanten Themen ab. Da solche Angriffe im Netz neben rechtlichem Ärger auch psychischen Stress verursachen, möchte ich auf die Unterstützung durch die Beratungsstelle ‚Physicians Help Physicians‘ hinweisen, die unbürokratisch in Anspruch genommen werden kann.“

Rechtanwältin Maria Windhager: „Hass im Netz ist die unsachliche, substanzlose Beschimpfung oder Beleidigung einer Person, die offenkundig nur dazu dient, diese Person verächtlich zu machen und herabzusetzen. Es gibt viele rechtliche Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren. Wichtig ist zunächst immer, den Vorfall möglichst rasch zu dokumentieren, die rechtswidrigen Inhalte also zu sichern. Durch den Digital Services Act müssen die Anbieter von Social Media Plattformen stärkere Überwachungs- und Transparenzpflichten einhalten und in Zukunft schneller reagieren. Daher empfiehlt es sich rechtswidrige Inhalte rasch zu melden, um diese zeitnah wegzubekommen und so den Schaden zu begrenzen. Parallel dazu bieten kostenlose Beratungsstellen Unterstützung an, die auch bei der rechtlichen Einordnung behilflich sind. Bei eindeutigen Verletzungen der Persönlichkeitsrechte können dann mit anwaltlicher Unterstützung weitere rechtliche Schritte gesetzt werden, wie Abmahnungen und Klagen. Das gilt insbesondere auch für ruf- und geschäftsschädigende Bewertungen.“
 

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Kontakt für Presse-Rückfragen: 
Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien, Adrian Hinterreither
E-Mail: mmmaGludGVycmVpdGhlckBhZWt3aWVuLmF0