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Präsentation des großen Gesundheitsbarometers für Wien

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Präsentation des großen Gesundheitsbarometers für Wien

Wie beurteilt die Bevölkerung das Wiener Gesundheitssystem? Welcher Verbesserungs­bedarf lässt sich daraus ableiten?

Die neueste Umfrage von Meinungsforscher Peter Hajek macht deutlich, wie groß die Sorge der Wiener Bevölkerung um den Zustand und die Zukunft der Gesundheitsversorgung der Stadt ist. Zwei Drittel der Menschen zeigen sich besorgt. Angesichts düsterer Budgetzahlen im Land und im Bund fällt auch die Antwort der Befragten auf diese Situation klar aus: Der Staat muss mehr Geld in die Gesundheit investieren. Nicht einmal ein Drittel der Befragten nützt regelmäßig die kostenlose jährliche Vorsorgeuntersuchung. Auch in diesem Bereich besteht großer Aufholbedarf. Aufbauend auf den Ergebnissen des Gesundheitsbarometers präsentiert die Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien ihre Lösungs- und Verbesserungsvorschläge zur Sicherung des Gesundheitssystems.

Die Ergebnisse der Studie von Peter Hajek im Detail:

  • Zwei Drittel der Befragten (Wiener Bevölkerung ab 16 Jahren) sorgen sich um die Zukunft der Gesundheitsversorgung.
  • Mehr als die Hälfte (57 Prozent) der 1.000 Befragten findet, der Staat soll mehr in Gesundheit investieren. Damit liegt die Gesundheit auf Platz 1 vor Bildung (46 Prozent) und Soziales (41 Prozent).
  • Mehr als die Hälfte (53 Prozent) lehnt die Privatisierung im Gesundheitswesen ab und fordert eine öffentliche Finanzierung. Nur 35 Prozent sind dafür, dass Gesundheitseinrichtungen auch von privaten Unternehmen betrieben werden.
  • Für 75 Prozent ist der Hausarzt die erste Anlaufstelle im Krankheitsfall.
  • Die große Mehrheit (70 Prozent) ist für den Ausbau der kostenlosen Gesundheits­vorsorge, besonders die Generation 60+.
  • Vorsorgeuntersuchungen werden vor allem von älteren und höher gebildeten Personen regelmäßig genutzt.
  • Zwei von fünf Befragten (41 Prozent) haben im letzten halben Jahr eine Wahlarztpraxis aufgesucht.
  • Die Spitalsversorgung in Wien wird mehrheitlich positiv bewertet, viele Patienten (47 Prozent) beklagen allerdings zu wenig Zeit und Betreuung durch die Spitalsärzt*innen.
  • Die Gesundheitsversorgung in Wien wird mit der Note 2,6 im Durchschnitt bewertet.

Präsident Johannes Steinhart: „Die Gesundheitsversorgung hat für die Wiener Bevölkerung höchste Priorität: Mehr als die Hälfte der Befragten will, dass der Staat mehr in den Bereich Gesundheit investiert, damit liegt sie auf Platz 1, noch vor Bildung und Sozialem. Dieser Befund zeigt auch, dass der bisher gefahrene Sparkurs der Politik nicht mehr gangbar ist, die Menschen spüren die Verschlechterungen im Gesundheitssystem, z.B. den Mangel an Kassenärzten, zu wenig Personal in Krankenhäusern oder lange Wartezeiten auf einen Arzt- oder OP-Termin, am eigenen Leib. Da verwundert es auch nicht, dass zwei Drittel besorgt um die Zukunft der Versorgung sind. Klar ist, was die Bevölkerung nicht will – die Konzernisierung des Gesundheitssystems, den Verkauf staatlicher Versorgungseinrichtungen an private Investoren. Mehr als die Hälfte spricht sich gegen Privatisierungen im Gesundheitswesen aus und erwartet eine staatliche Finanzierung. Das solidarisch finanzierte Gesundheitssystem mit der bestmöglichen Versorgung aller Menschen muss für die Zukunft gesichert werden. Das ist gerade in Zeiten eines ständig größer werdenden Milliarden-Budget-Lochs und des prognostizierten Ein-Milliarden-Defizits der ÖGK für 2025 ein sehr klarer Auftrag an die Politik, der nicht verhandelbar sein darf.“

Vizepräsidentin Naghme Kamaleyan-Schmied: „Eine große Mehrheit der Wienerinnen und Wiener sorgt sich um die Zukunft unseres Gesundheitssystems. Ich spüre die Verunsicherung der Patientinnen und Patienten in meiner Ordination, teilweise besteht sogar die Sorge, dass angesichts des Milliardendefizits der Österreichischen Gesundheitskasse medizinische Grundleistungen in Zukunft nicht mehr von der Kasse übernommen werden.

Wie groß das Vertrauen in die Hausärztin bzw. den Hausarzt ist, zeigt sich darin, dass sie bzw. er für drei Viertel der Befragten die erste Anlaufstelle im Krankheitsfall ist. Deshalb fordern wir eine deutliche Aufwertung des niedergelassenen Bereichs sowie leistungsgerechte Rahmenbedingungen für uns Ärztinnen und Ärzte. In Facharztzentren können zahlreiche Behandlungen aus den Spitälern in den niedergelassenen Bereich ausgelagert werden. Wir haben ausgereifte und schnell umsetzbare Konzepte für Diabetes-, Gynäkologie- und Augenzentren bereits ausgearbeitet. Dazu braucht es allerdings jetzt eine langfristig gesicherte Finanzierung und Grundlage dafür ist der politische Wille.

Dass zwei von fünf Befragten im halben Jahr vor der Befragung eine Wahlärztin bzw. -arzt aufgesucht haben, unterstreicht deren wichtige Rolle in der Gesundheitsversorgung und zeigt deren Versorgungswirksamkeit.

Auch im Bereich der Vorsorge wünschen sich die Wienerinnen und Wiener einen Ausbau der kostenlosen Angebote.“

Vizepräsident Eduardo Maldonado-González: „Die Umfrage zeigt deutlich Licht und Schatten im Gesundheitssystem. Es freut mich, dass zwei Drittel der Befragten die Spitalsversorgung in Wien sehr bzw. eher gut bewerten. Dieses ausgezeichnete Ergebnis ist dem großen persönlichen Einsatz der Spitalsärztinnen und -ärzte zu verdanken, die tagtäglich über sich hinauswachsen.

Gleichzeitig gibt es zu denken, dass fast die Hälfte der Befragten den Eindruck hat, dass die Ärztinnen und -ärzte nicht genügend Zeit für die Betreuung der Patientinnen und Patienten haben. Deshalb arbeiten wir intensiv daran, die Rahmenbedingungen an den Wiener Spitälern zu verbessern, um die Personalabwanderung, unter anderem in andere Bundesländer, zu stoppen. Mit marktkonformen, fairen Gehältern, der angemessenen Bezahlung von Sonderfunktionen und modernen, zielgerichteten Karrieremodellen wollen wir den Arbeitsplatz Spital attraktiver gestalten. Mit ausreichend Personal und einer entsprechenden Entbürokratisierung bleibt endlich wieder mehr Zeit für die Betreuung unserer Patientinnen und Patienten. So lässt sich auch die OP-Wartezeitensituation in den Spitälern entschärfen.

Die Umfrage verdeutlicht, dass knapp ein Drittel der Befragten mindestens ein Quartal auf einen Eingriff warten musste, was für die Patientinnen und Patienten eine lange Zeit ist, vor allem, wenn man bedenkt, dass in manchen Bereichen wie HNO, Urologie und Orthopädie die Wartezeiten aktuell über ein Jahr in Wien betragen.“

Peter Hajek: „Simpel gesagt lässt sich die Stimmung in Wien so zusammenfassen: Der Staat soll für ein gutes öffentliches Gesundheitssystem sorgen. Die Patienten sollten nicht auf den Privatsektor angewiesen sein.“

Umfrageergebnisse und Lösungs- und Verbesserungsvorschläge:

57 Prozent der Befragten meinen, dass der Staat in nächster Zeit mehr Geld in den Gesundheitsbereich investieren soll.

  • Mehr Kassenplanstellen mit neuem und zeitgemäßem Leistungsangebot, weniger Bürokratie und flexiblen Arbeitsmöglichkeiten, damit die Kassenmedizin wieder attraktiver wird
  • Sicherung der Grundleistungen der Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung
  • Stärkung der freiberuflichen Kassenärztinnen und Kassenärzte z.B. durch Parkpickerl für Wiener Ärzte, Behindertenparkplätze vor Wiener Ordinationen, Hauptstadtbonus
  • Marktkonforme, faire Gehälter in allen Wiener Spitälern
  • Etablierung von multiprofessionellen Facharztzentren unter Einbindung von Gesundheits- und Sozialberufen (z.B. Psyzentren, Gynzentren, Diabeteszentren, etc)

47 Prozent der Befragten beklagen, dass Spitalsärzte zu wenig Zeit für Fragen und Betreuung haben.

  • Es braucht mehr Personal für die Wiener Spitäler, diese müssen attraktiver werden:
    • Mit flexiblen Arbeitsmöglichkeiten und entsprechender Entbürokratisierung
    • Sonderfunktionen in den Spitälern, etwa bei Brandschutz, Hygiene, Dienstplan- und Ausbildungsverantwortung, müssen endlich angemessen entlohnt werden.
    • Zeitgemäße Karrierepfade in Bezug auf die Ausbildung mit entsprechender Honorierung
    • Übernahme der Prüfungsgebühren für die Facharztprüfung
    • Bedarfsgerechter Ausbau der Betriebskindergärten, damit Beruf und Familie besser vereinbar werden

70 Prozent der Befragten sind für einen Ausbau der kostenlosen Gesundheitsvorsorge.

  • Ausbau von Vorsorgeprogrammen und Aufbau von Gesundheitskompetenzprogrammen zur Vermeidung von Krankheiten beginnend im Kindesalter
  • Übernahme der Kosten von Impfungen gemäß Empfehlung der nationalen Impfgremien zum Schutz von vermeidbaren Erkrankungen

Nur 30 Prozent der Befragten machen jährlich die kostenlose Vorsorgeuntersuchung, 52 Prozent würden die Untersuchung bei finanziellen Anreizen häufiger machen.

  • Einführung von Anreizmodellen wie etwa den „Gesundheitshunderter“ der SVS, bei dem Versicherte einen 100-Euro-Bonus erhalten, wenn sie zur Vorsorgeuntersuchung gehen oder an gesundheitsfördernden Programmen teilnehmen.

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