Pressekonferenzen

Präsentation des großen Gesundheitsbarometers

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Präsentation des großen Gesundheitsbarometers

„Die Zufriedenheit der Bevölkerung mit der Gesundheitsversorgung ist im Vergleich zum Jahr 2022 gesunken. Und das obwohl die Gesundheit für die Menschen in Österreich oberste Priorität hat. Noch vor Sozialem und Pflege fordert die Bevölkerung Investitionen in die Gesundheit. Die neue Bundesregierung ist gefordert, diesem Willen nachzukommen und das solidarische Gesundheitssystem endlich massiv zu stärken.“

Johannes Steinhart, Ärztekammerpräsident 

Österreichs öffentliches Gesundheitssystem befindet sich seit Jahren in einer Abwärtsspirale. Die große Mehrheit (70 Prozent) der Österreicherinnen und Österreicher sieht in einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschers Peter Hajek die Entwicklung des Gesundheitssystems klar negativ. 

Ein Großteil der Befragten möchte keine langen Wegzeiten zur nächsten Ärztin oder zum nächsten Arzt oder lange Wartezeiten akzeptieren. Diese Forderungen treffen auf ein öffentliches Gesundheitssystem, das auf immer weniger Ärztinnen und Ärzte zurückgreifen kann. Dies führt auch dazu, dass Ärztinnen und Ärzte immer weniger Zeit zur Verfügung steht, um sich um die Anliegen der Patientinnen und Patienten ausreichend kümmern zu können. Fast die Hälfte der Befragten ist im vergangen halben Jahr auf Wahlärztinnen oder Wahlärzte ausgewichen, die seit Jahren eine Lücke in der Versorgung füllen, die die Politik hinterlassen hat.

Zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher würden zudem verschreibungspflichtige Medikamente gerne auch unkompliziert direkt in der Arztpraxis erhalten können und nicht nur in Apotheken.

Präsident Johannes Steinhart: „Um die Wartezeiten zu verkürzen und die bestmögliche Gesundheitsversorgung zu garantieren, braucht es mindestens 1.000 zusätzliche Kassenstellen. Vor allem der ambulante kassenärztliche Bereich hat in den vergangenen Jahren nicht mit der Bevölkerungsentwicklung und den wachsenden Anforderungen an die wohnortnahe Versorgung Schritt gehalten. Neue Angebote wie die einfache Medikamentenabgabe direkt in der Ordination müssen den Patientinnen und Patienten endlich unkompliziert zur Verfügung stehen. Schlussendlich bedarf es auch einer Aufwertung des ärztlichen Berufsbildes und einer Attraktivierung der Rahmenbedingungen der ärztlichen Tätigkeit. Die Politik muss zudem sicherstellen, dass freiberufliche Ärztinnen und Ärzte immer Vorrang vor Ambulatorien und Konzernen haben.“

Vizepräsidentin Naghme Kamaleyan-Schmied: „Die Bürgerinnen und Bürger fordern eine wohnortnahe Versorgung, kurze Wartezeiten und ausreichend Zeit, um alle Anliegen mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt besprechen zu können. Die Studie zeigt, dass unser Gesundheitssystem diesen Erwartungen in vielen Bereichen nicht mehr gerecht wird. Deutlich wird auch, dass die Bevölkerung einer neuen Bundesregierung ganz klar den Auftrag erteilt, massiv in unser Gesundheitssystem zu investieren, um die beste und effizienteste Versorgung sicherzustellen. Es wird allerdings mehr als eine Milliarde Euro brauchen, damit unser Gesundheitssystem wieder die beste und effizienteste Versorgung sicherstellen kann. Dafür braucht es eine Attraktivierung des Kassensystems. Grundlage dafür ist eine faire und leistungsgerechte Honorierung. Das starre Korsett, in dem wir als niedergelassene Ärztinnen und Ärzte arbeiten, ist zu eng. Dieses müssen wir durch Flexibilisierung aufbrechen und dadurch neue Handlungsspielräume schaffen. Ziel muss es sein, gemeinsam Hand in Hand für die Interessen der Patientinnen und Patienten zu kämpfen. Es braucht nun echte Reformen statt gegenseitiger Blockaden.“

Peter Hajek: „Wenn es einen Auftrag an die aktuellen Regierungsverhandlungen gibt, dann den, dass das österreichische Gesundheitssystem echter Reformen bedarf. Die Steigerung der Unzufriedenheit mit dem Gesundheitssystem in den letzten Jahren ist atemberaubend “

Die Ergebnisse des Gesundheitsbarometers im Detail

  • Knapp zweit Drittel (65 Prozent) der 1.000 befragten Personen in Österreich, repräsentativ für die österreichische Bevölkerung, fordern vom Staat höhere Investitionen in die Gesundheit. Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zur letzten Umfrage 2022. Erst dahinter folgen Soziales, Pflege und Bildung.
  • Eine klare Mehrheit (70 Prozent) nimmt die Entwicklung des österreichischen Gesundheitssystems klar negativ wahr. Die Schere zwischen Zufriedenen und Unzufriedenen geht seit Herbst 2021 immer weiter auseinander.
  • Die aktuelle Gesundheitsversorgung wird mit einem Mittelwert von 2,8 von den Befragten nur noch mäßig beurteilt. 
  • Bereits mehr als ein Drittel (36 Prozent) beklagt, nicht ausreichend Zeit bei der Kassenärztin bzw. beim Kassenarzt zu haben, um sich mit allen ihren Anliegen auseinanderzusetzen.
  • Fast die Hälfte der Befragten (47 Prozent) hat im vergangenen Jahr eine Wahlärztin bzw. einen Wahlarzt aufgesucht.
  • Knapp zwei Drittel (65 Prozent) wünschen sich, Medikamente neben der Apotheke auch direkt bei der Ärztin bzw. beim Arzt zu bekommen, der sie verschrieben hat.

Die Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien fordert von der kommenden Bundesregierung ein Maßnahmenpaket für eine sichere Versorgung 

Die Ergebnisse der Studie zeigen, es muss sich dringend etwas ändern, damit die Gesundheitsversorgung in Österreich wieder den Erwartungen der Bevölkerung entspricht und die Abwärtsspirale des Gesundheitssystems gestoppt wird. Als Ärztinnen und Ärzte ist es unsere Aufgabe, sich täglich um die Kranken zu kümmern. Die Politik wiederum ist gefordert, sich endlich um unser krankes Gesundheitssystem zu kümmern. Wir sind Partner im System, wir haben tagtäglich engen Kontakt zu Patientinnen und Patienten. Wir wissen an welchen Schrauben wir drehen müssen, damit das Uhrwerk wieder problemlos läuft: 

  • Weitsicht statt Rotstift: Die neue Bundesregierung muss den Willen der Bevölkerung umsetzen und massiv in die Gesundheit investieren. Um das kränkelnde Gesundheitssystem wieder fit zu bekommen wird es weit mehr brauchen als eine Milliarde Euro. Die versprochene Patientenmilliarde braucht es mittlerweile alleine für Wien. 
  • Die Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien fordert österreichweit mindestens 1.000 zusätzliche Kassenstellen, um Wartezeiten und Anfahrtszeiten zu verkürzen und damit Ärztinnen und Ärzten wieder mehr Zeit für die Behandlung ihrer Patientinnen und Patienten zur Verfügung haben.
  • Das Berufsbild der Ärztin bzw. des Arztes im Kassensystem muss attraktiviert werden, um mehr Ärztinnen und Ärzte für das solidarische Gesundheitssystem zu gewinnen. Der Startbonus über 100.000 Euro für die Gründung einer neuen Ordination muss für alle offenen Kassenstellen gelten. Vor allem in den Mangelfächern braucht es neue Anreize. Dazu gehören auch moderne Arbeitsmodelle, damit der Praxisalltag an die Lebensrealitäten der Menschen angepasst werden kann.
  • Neben der Verbesserung der Arbeitsbedingungen braucht es ein neues und leistungsgerechtes Honorierungssystem mit zeitgemäßen Leistungen für Patientinnen und Patienten ohne Limitierungen.
  • Unterstützung beim Gründungsprozess – Die Problematik der „unechten Umsatzsteuerbefreiung“ muss rasch gelöst werden. Zudem benötigt es Unterstützung bei der schwierigen Immobilien- und Personalsuche.
  • Schaffung neuer Sonderfächer, die aktuell nicht im niedergelassenen Kassenbereich abgebildet sind (wie z.B. Nuklearmedizin, Onkologie, etc.). 
  • Einführung multiprofessioneller Facharztzentren sowie die Schaffung der Gesellschaftsform GmbH für Einzelordinationen. Die Einbindung von Gesundheitsberufen und Sozialberufen muss auch in Einzelpraxen ermöglicht werden, wie es aktuell schon bei Primärversorgungseinheiten der Fall ist.
  • Die Angriffe auf Wahlärztinnen und Wahlärzte müssen aufhören. Sie sind eine tragende Stütze im Gesundheitssystem. Sie unterstützen uns bei der Versorgung der Patientinnen und Patienten, die im überlasteten Kassensystem oft lange auf Termine warten müssen. 

„Es geht um das Wohl der Patientinnen und Patienten, das muss die oberste Priorität der Politik sein. Wir fordern die kommende Regierung auf rasch zu handeln“, appellieren Präsident Johannes Steinhart und Vizepräsidentin Naghme Kamaleyan-Schmied an die Verantwortlichen.