Rundschreiben Kurie angestellte Ärzte

Kritische Einschätzung Verhandlungsergebnis Stadt Wien - Younion

  

Presseaussendung An: alle angestellten Ärzt*innen Wiens
Von: Kurie angestellte Ärzte



Sehr geehrte Frau Kollegin!
Sehr geehrter Herr Kollege!

Wir haben uns bewusst etwas Zeit genommen, um die Pressekonferenz von Bürgermeister, Gesundheitsstadtrat, WiGeV- und Younion-Führung etwas auf uns wirken zu lassen. Wie bewerten wir also die Verhandlungsergebnisse zwischen der Stadt Wien und der Gewerkschaft Younion letzte Woche:

  1. Kollektivvertragsabschluss in Höhe von 9,15 % bis 9,71 %
    Hier ist eine Einschätzung sehr einfach: Die Gewerkschaft hat eine satte NULL verhandelt. Die Inflation war im Vergleichszeitraum 9,15 % (Aussage der Verhandler*innen) und das Ergebnis ist für den größten Teil der Ärzt*innen auch 9,15 %. Folglich hat die Gewerkschaft erfolgreich einen Reallohnverlust verhindert. Wertschätzung schaut trotzdem anders aus; deshalb aus unserer Sicht ein MINUS.
  2. Positiv aus dem EUR 150 Mio. Paket ist eindeutig, dass unsere Forderung nach 10 Tagen Sonderurlaub für Fortbildung vereinbart wurde. Eindeutig ein PLUS.
  3. Positiv ist auch, dass EUR 1.000 jährlich für Fortbildungen verhandelt wurden. Unsere Forderung lautet zwar auf EUR 5.000 pro Jahr, aber wir verbuchen das immer noch als PLUS.
  4. Die Erhöhung der Nacht-, Wochenend- und Feiertagszulage bringt selbst im Rechenbeispiel auf der Website des WiGeV jedem*r Ärzt*in nur rund EUR 110 netto pro Monat. Wertschätzung sieht anders aus. Aus unserer Sicht deshalb ein glattes MINUS.
  5. Die Möglichkeit einer Ernennung zum*r Oberärzt*in nach drei Jahren ist grundsätzlich positiv zu sehen. Allerdings haben wir große Sorge, dass die Bürokratie von Stadt Wien und WiGeV diesen Erfolg zunichte machen und weitere Kolleg*innen frustrieren wird. Deshalb aus unserer Sicht NEUTRAL.
  6. Bleiben noch die höheren Einstiegsgehälter in den Mangelfächern. Diese sind grundsätzlich positiv zu bewerten, bleiben aber hinter den Erwartungen zurück. Wir sind skeptisch, dass es möglich ist, beispielsweise den Anästhesist*innenmangel im WiGeV durch ein um 9,7 % erhöhtes Einstiegsgehalt (Beispiel von der Website des WiGeV) zu lösen, während freiberuflich tätige Anästhesist*innen im gleichen WiGeV aktuell EUR 250 pro Stunde verdienen. Es bleibt ein vorsichtiges NEUTRAL.

 

Was allerdings bei der Pressekonferenz komplett gefehlt hat war, dass über eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen kein Wort verloren wurde. Es reicht nicht, neue Dienstposten zu schaffen, die dann zusätzlich zu den bestehenden unbesetzt sind. Was wir brauchen sind Menschen, die mit uns gemeinsam gerne in den Spitälern der Stadt Wien arbeiten. Wir brauchen eine Entbürokratisierungswelle, mehr Autonomie auf Haus- und Abteilungsebene, um passende Lösungen für und mit den Kolleg*innen zu finden.

Darüber hinaus fehlt eine Perspektive für viele Kolleg*innen, die bereits im WiGeV beschäftigt sind. Allein im WiGeV gibt es mehrere 100 unbesetzte Dienstposten bei Ärzt*innen und Pflege. Parallel arbeiten freiberuflich tätige Fachärzt*innen für Stundenhonorare von teilweise EUR 350 und Turnusärzt*innen werden mitten in der Ausbildung die Verträge nicht verlängert.


Und die Konkurrenz schläft nicht: Im Burgenland und in der Steiermark gibt es Gehaltssteigerungen von teilweise deutlich über 20 % (zusätzlich zum KV-Abschluss von 9,15 %). An der MedUni Wien hat das Wissenschaftsministerium über EUR 55 Mio. nur für 2024 für das Wissenschaftliche Personal zur Verfügung gestellt. Der Betriebsrat des wissenschaftlichen Personals verhandelt gerade mit dem Rektor, wie diese über EUR 55 Mio. auf rund 2.300 Ärzt*innen und Wissenschafter*innen verteilt werden sollen. Also EUR 150 Mio. für 30.000 Mitarbeiter*innen des WiGeV vs. EUR 55 Mio. für rund 2.300 Mitarbeiter*innen (Vollzeitäquivalente) der MedUni Wien.


Was bleibt ist die vage Ankündigung einer Phase 2, die allerdings vom Wunsch des zuständigen Stadtrats, doch endlich über ein Verbot der Nebenbeschäftigungen für Ärzt*innen zu sprechen, auf der Pressekonferenz begleitet wurde.


Entscheiden Sie selbst, ob Ihnen diese Verhandlungsergebnisse ausreichend Wertschätzung entgegenbringen. Sie sind es, die drei Jahre Pandemie hinter sich haben und aktuell unter dem teilweise massiven Ärzt*innen und Pflegemangel im WiGeV leiden.


Wenn Sie sich nicht ausreichend wertgeschätzt fühlen, laden wir Sie ein, am 4. Dezember beim Protestmarsch der Wiener Spitalsärzt*innen und Spitalsbeschäftigten Ihren Unmut zum Ausdruck zu bringen. Geben Sie diese Information bitte auch an die Kolleg*innen in der Pflege und den anderen Spitalsbeschäftigten weiter. Unsere Forderungen lauten weiterhin: 30 % mehr Personal, 30 % mehr Zeit für Patient*innen, 30 % mehr Gehalt und 30 % weniger Bürokratie.


Sollten Sie unter Druck gesetzt werden, nicht am Protestmarsch mitzugehen, setzen Sie sich bitte umgehend unter mmmc3RyZWlrQGFla3dpZW4uYXQ= mit der Kurie angestellte Ärzte in Verbindung. Ihr Schutz ist uns wichtig und dafür wurde auch ein umfassendes Rechtsschutzbudget beschlossen.

Wollen Sie immer am Laufenden bleiben, aktuelle Infos und Material erhalten? Melden Sie sich in unserer WhatsApp-Gruppe unter mmmc3RyZWlrQGFla3dpZW4uYXQ=, unter Bekanntgabe Ihres Namens, Ihrer Arztnummer und Handynummer an.


In diesem Sinn: 4. Dezember, 14.00 Uhr, Neuer Markt – holen Sie sich die Wertschätzung, die Ihnen zusteht.

 

Mit kollegialen Grüßen

Anna Kreil
Stellvertretende Kurienobfrau

Eduardo Maldonado-González
Stellvertretender Kurienobmann

Stefan Ferenci
Vizepräsident
Obmann der Kurie angestellte Ärzte

Johannes Steinhart
Präsident

 

Streik Banner