Umgang mit Benzodiazepinverschreibungen

  

Presseaussendung

 

An: Alle niedergelassenen Ärzt*innen für Allgemeinmedizin sowie Fachärzt*innen für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Neurologie

Von: Standesführung und niedergelassene Ärzte

 

Sehr geehrte Frau Kollegin!
Sehr geehrter Herr Kollege!

Aufgrund der anhaltend hohen missbräuchlichen Anwendung von Benzodiazepinen in der Bevölkerung, dürfen wir Ihnen dieses Informationsschreiben sowie die Broschüre zum Umgang mit Benzodiazepinen der Psychosozialen Dienste in Wien sowie der Sucht- und Drogenkoordination Wien zur Verfügung stellen. Diese Informationen sollen hinsichtlich der Verschreibung dieser hochwirksamen Medikation sensibilisieren.

Auf folgende Empfehlungen bezüglich der Verschreibung von Benzodiazepinen dürfen wir Sie vom Psychosozialen Dienst in Wien sowie der Sucht- und Drogenkoordination Wien hinweisen:

  1. Strenge Indikationsstellung
    Der differenzierte Einsatz von Benzodiazepinen ist durch eine sorgfältige Anamnese und Diagnostik vorab genau zu überprüfen. Eine Anwendung ist nur gerechtfertigt, wenn die Erkrankung schwerwiegend ist, die Patient*innen dadurch massive Einschränkungen erfahren oder aber durch die Erkrankung ein starker Leidensdruck herrscht.
  2. Keine Verordnung ohne Behandlungsplan
    Die Therapiedauer muss vor Behandlungsbeginn festgelegt werden und die weitere Behandlungsnotwenigkeit wird im Rahmen von ärztlichen Kontrolluntersuchungen regelmäßig überprüft.
  3. Keine Mehrfachverschreibungen
    Die Verschreibung der Benzodiazepine erfolgt ausschließlich über den*die therapieführende*n Ärzt*in.
  4. Keine wiederholten Verschreibungen und die niedrigste erforderliche Dosis verordnen
    Eine Überschreitung des in der Fachinformation vorgegebenen maximalen 2-Monatsbedarfs ist nur im Einzelfall zu erwägen. Das Rezept ist dann mit dem Vermerk „necesse est“ zu kennzeichnen.

Wiederholte Verschreibungen innerhalb eines Monats sind unbedingt zu vermeiden, da der maximale 2-Monatsbedarf sonst überschritten werden kann.

Eine wiederholte Abgabe darf nicht angeordnet werden. Benzodiazepine tragen als psychotrope Substanzen das Rezeptzeichen NR (non repetatur) und sind von einer wiederholten Abgabe daher ausgeschlossen.

  1. Kurze Anwendungsdauer
    Je nach Erkrankungsbild liegt die Anwendungsempfehlung zwischen 2 und 6 Wochen. Eine längerfristige Behandlung erfolgt nur in Ausnahmefällen.
  2. Die Verordnung bzw. der Therapieplan soll auf eine Substanz der Benzodiazepingruppe beschränkt sein.
  3. Bevorzugt sind langsam anflutende Substanzen anzuwenden.
    Beispielsweise ist die Anwendung von Nitrazepam in der Indikation Alkoholentzugssyndrom obsolet, aufgrund der hohen Kumulationsneigung.
  4. Kontraindikationen und Wechselwirkungen sind zu beachten.
  5. Bei bestehender Abhängigkeitsanamnese ist die Verordnung von Benzodiazepinen zu vermeiden. Ausnahme ist die Auseinzelung von Benzodiazepinen im Rahmen einer Opioid Agonisten Therapie.
  6. Kein Abruptes Absetzen
    Bei Beendigung der Behandlung sind Benzodiazepine auszuschleichen.

Anwendungsgebiete / Indikationen

  • Angst und spannungsbedingte Schlafstörungen
  • Psychische akute und chronische Angst- Spannungs- und Erregungszustände, Panikattacken
  • Zusatztherapie oder Nichtansprechen auf andere Arzneimittel zur Behandlung der meisten Formen von Epilepsie
  • Akutbehandlung bei Status epilepticus
  • Zusatzbehandlung von Angstzuständen bei Depressionen oder Schizophrenien und psychotischen Alkoholreaktionen
  • Bei Alkoholabhängigkeit zur Behandlung akuter Entzugserscheinungen wie Tremor und Angstzustände
  • Adjuvans bei Muskelspasmen (spastische Zerebralparesen, Multiple Sklerose)
  • Sedativum vor kleineren chirurgischen oder zahnärztlichen Eingriffen

Kontraindikationen: Myasthenia gravis, Engwinkelglaukom, Ataxie und Substanzabhängigkeiten in der Anamnese

Vorwiegend sind folgende Substanzen in missbräuchlicher Verwendung:
Hochdosisabhängigkeit:
Oxazepam (Anxiolit, Praxiten)
Clonazepam (Rivotril)
Diazepam (Psychopax, Gewacalm)
Alprazolam (Xanor)
Nitrazepam (Mogadon)

Niedrigdosisabhängigkeit:
Bromazepam (Lexotanil)
Alprazolam (Xanor)
Lorazepam (Temesta)
Triazolam (Halcion)
Z-Drugs (Zolpidem, Zoldem)

(Flunitrazepam - Rohypnol Verschreibung ist nur auf einem Suchtgiftrezept möglich)



Mit kollegialen Grüßen

Naghme Kamaleyan-Schmied
Vizepräsidentin
Kurienobfrau niedergelassene Ärzte

Johannes Steinhart
Präsident